Könnte die Zahnspange bald direkt aus dem Drucker kommen? Möglicherweise. Einige Zahnspangen werden bereits heute im 3D-Druck-Verfahren hergestellt. Das bringt auch für die Patienten Vorteile.
3D-Druck gibt es schon sehr lange: Seit etwa drei Jahrzehnten wird das Verfahren erfolgreich in der industriellen Fertigung und im Ingenieurwesen eingesetzt. In den letzten zehn Jahren hat sich die 3D-Druck-Technologie zudem in verschiedenen Bereichen der Medizin rasant verbreitet. So findet sie unter anderem auch in der Zahnmedizin Anwendung – z. B. in der Prothetik oder in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.
Aber auch für die Kieferorthopädie ist die Technologie interessant: Bereits heute können Teile einer Zahnspange aus Metall im 3D-Druck-Verfahren hergestellt und als ein Bestandteil einer kieferorthopädischen Behandlungsapparatur im Mund eingesetzt werden. Möglich machen dies modernste Fertigungstechnologien, die auf digitalen Modellen mit computergestütztem Design basieren. Im Zusammenspiel mit den in der Vergangenheit erzielten Fortschritten in der medizinischen Bildgebung erlauben sie die Umsetzung Patienten-individueller und somit maßgeschneiderter KFO-Geräte.
Die Entwicklung digitaler Technologien schreitet stetig voran. Das hat auch in der Kieferorthopädie einen immer größeren Einfluss auf die täglichen Arbeitsabläufe in den Praxen und Laboren. Abdrücke von Zähnen und Kiefern werden mit Intraoralscannern zunehmend digital erfasst und Gebisssituationen am Bildschirm analysiert. KFO-Behandlungen werden virtuell geplant und Apparaturen CAD/CAM-gestützt – also computergesteuert – designt und gefertigt.
3D-Drucker werden im Kieferorthopädie-Alltag heute vor allem zur Herstellung von Arbeitsmodellen eingesetzt, die für die Umsetzung herausnehmbarer Zahnspangen oder Aligner bzw. Tiefziehschienen benötigt werden. Ein weiteres Einsatzgebiet ist der Druck von Diagnostikmodellen. Zudem findet diese Technologie beim 3D-Druck von Zahnkränzen von sogenannten Übertragungstrays für das indirekte Aufkleben von Brackets oder zur Herstellung von festen Retainern ihre Anwendung.
Der derzeitige digitale Arbeitsablauf in der Kieferorthopädie stützt sich überwiegend auf digitale Abdrücke, die mit einem Intraoralscanner direkt im Mund des Patienten aufgenommen werden. Die daraus resultierenden digitalen Modelle ermöglichen dann die virtuelle Auswertung und Behandlungssimulation am Computer. Solche digitalen Modelle haben zahlreiche Vorteile. Für die Diagnose, Behandlungsplanung und Fertigung von Apparaturen wird aber mitunter noch immer ein physisches Modell benötigt. Dieses Arbeitsmodell kann per Knopfdruck mittels additiver Fertigung (schichtweiser Materialauftrag) im Digital-Light-Processing (DLP)- oder Polyjet-Druck hergestellt werden.
Eine feste Zahnspange nennt der Kieferorthopäde Multibandapparatur. Die dabei verwendeten Brackets können entweder direkt (freihändig) oder indirekt (mithilfe einer Schablone) auf die Zähne geklebt werden. Die indirekte Methode optimiert hierbei nicht nur die Genauigkeit der jeweiligen Bracketposition und somit die Effektivität der angestrebten Behandlung. Sie reduziert zudem deutlich die Dauer der Klebeprozedur. Allerdings wird hierfür ein Klebetray benötigt, das die im Vorfeld geplanten Bracketpositionen 1:1 in den Mund bzw. auf die Zähne überträgt. Diese Übertragungsschablonen können heutzutage ohne Weiteres 3D-gedruckt werden.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist der 3D-Druck von Zahnkränzen für die Fertigung kieferorthopädischer Korrekturschienen (Aligner), Retainer oder therapeutischer CMD-Schienen aus Kunststoff, wie sie z.B. bei der Behandlung von Kiefergelenkserkrankungen eingesetzt werden. Die Modelle werden mittels sogenannter Stereolitografie- oder Fused-Deposition-Modeling (FDM)-Verfahren gedruckt. Anschließend wird eine zuvor erhitzte Kunststoff-Folie über das Modell gezogen und so in die gewünschte Form gebracht. Das bezeichnet man auch als Tiefziehen oder Thermoformen.
Der dreidimensionale direkte Druck vereinfacht darüber hinaus die Behandlungsplanung und -durchführung bei komplexen kieferorthopädischen Fällen, die eine kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie benötigen. Hier optimieren u. a. 3D-gedruckte OP-Splints (Kunststoffschienen, die in der OP getragen werden müssen) oder Schablonen die Genauigkeit und Durchführung des operativen Eingriffs. Und das wirkt sich wiederum positiv auf die nachfolgende kieferorthopädische Feineinstellung der Okklusion – also der Ober-Unterkiefer-Verzahnung – und somit auf das Gesamtergebnis aus.
Doch nicht nur Kunststoffe, sondern auch Metalle können in der Zahnmedizin heute mittels 3D-Druck hergestellt werden. Eine solche additive Fertigung von Metallteilen hat Vorteile: Sie reduziert im Vergleich zu herkömmlichen Guss- und Schmiedetechniken nicht nur die Herstellungszeit, sondern eliminiert auch mögliche menschliche Fehler. In der Kieferorthopädie z. B. werden mittels Lasermelting – ein Verfahren, bei dem Metallpulver Schicht für Schicht aufgebaut wird – schon heute komplexe Konstruktionen, die in bestimmte KFO-Apparaturen wie z.B. eine Gaumennahterweiterungs-Apparatur (GNE) integriert sind, individuell für einzelne Patienten umgesetzt.
Quellen: